Russland Deportation
AN MEIN KIND!
Ich sitze einsam im Kohlenschacht
Die Gedanken sind daheim bei Tag und Nacht.
Und wenn ich eingeschlummert bin
Dann träum ich immer von meinem Kind.
Ihr Vater musste zieh'n hinaus ins Feld
Die Mutter verschleppt in die weite Welt,
so blieb mein kleines Kindelein
ohne Vater und ohne Mütterlein.
Mein Ohr hört immer die Kinderstimme schrein,
Mutter ! Wann kommst du wieder? Ich bin so allein.
Deine Liebe war immer so schön und mild,
Und jetzt bin ich ein Waisenkind.
Ein Waisenkindlein bist du zwar,
wie es vielen in der Welt beschieden war
Doch sei getrost mein liebes Kind,
wenn Gott mir hilft, bin ich bei dir geschwind.
Mein liebes Kind, bete nur viel
Und bitt den lieben Gott,
dass er dein liebes Mütterlein
lässt wieder heim, um bei dir zu sein.
Und sollte aber der Fall so sein,
so wie bei dem Vater dein,
dass ich nicht wieder kehre heim.
Und bleibst hier so ganz allein.
Dann gehe gleich zum Friedhof raus,
Und richte dir ein Grab dort auf,
Und denk, es sei dein Elterngrab,
Die immer auf dich schaun herab.
Dies Grab behalte Jahr für Jahr
Und tröste dich im Schmerz damit.
Pflanz darauf viel Blümelein ,
Und auch die Blume „Vergiss nicht mein“
Geschrieben in Russland im Lager
Anna Schmidt.
Erhalten von der Tochter Elfriede Andor aus Deutschbentschek.
Karnzniederlegung Ingolstadt Januar 2013
Deportation der Sanktmartiner nach Russland
Am 14. Januar 2013 jährt sich zum 68. Mal die Russlanddeportation der Deutschen aus Rumänien. Aus diesem Anlass gedenkt die Landsmannschaft der Banater Schwaben in Bayern am 12. Januar 2013 um 14.00 Uhr in Ingolstadt mit einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte der Deutschen des Ostens im Luitpoldpark an der Parkstraße. Danach geht es ins Seniorenzentrum der Banater Schwaben zu Kaffee, Kuchen und Aussprachen. Es singt der Seniorenchor. Alle Sanktmartiner im Raum Ingolstadt sind herzlich eingeladen.
Am 23. August 1944 putschte die rumänische Regierung, nachdem sie Deutschland den Krieg erklärt hatte. Am 26. August wurde Sanktmartin von ungarischen Truppen besetzt. Ab Mitte September begann die Flucht von vielen Sanktmartiner Familien Richtung Westen. Am 19. September begannen die Russen das Feuer auf ungarischen Truppen zu eröffnen. Die Daheimgebliebenen Sanktmartiner erlebten Tage des Grauens. Nach dem Abzug der russischen Truppen zogen rumänische Kolonisten aus den Benachbarten Gemeinden in die Häuser der auf der Flucht befundenen Sanktmartiner ein.
Rumänische Kolonisten ziehen in ein Banater Dorf ein. (Stefan Jäger)
Am 12. Januar 1945 zogen rumänische Soldaten in jedes Haus in denen sich Frauen zwischen 18-32 und Männer zwischen 17-45 Jahren befanden und nahmen Sie fest. Die Großoperation wurde mit militärischer Präzision durchgeführt. Die Ortsausgänge wurden durch Gendarmerie und Militär abgesperrt. Für jeden Geflohenen, der unauffindbar blieb, wurde kurzerhand ein Familienmitglied ausgehoben, meist der Vater oder die Ehefrau. Dieses Druckmittel half; der Gesuchte verließ sein Versteck und meldete sich bei der Sammelstelle im Kastell in Matscha. Am 14. und 16. Januar begann man dann mit der Deportation nach Russland. Der Kurtitscher Bahnhof wurde hermetisch abgeschlossen, somit wurde jede Flucht unmöglich. In jedem Viehwagon kamen 30 Personen mit Ihrem Gepäck. Jeder Wagon hatte zwar einen kleinen Ofen aber ohne Brennmaterial so wie in einem Eck ein Loch wo die Insassen ihre Notdurft verrichten konnten. Man durfte täglich einmal aussteigen um Wasser und Brennholz zu suchen. Insgesamt 75.000 Volksdeutsche aus Rumänien haben den beschwerlichen Weg nach Russland angetreten. An der Russischen Grenze wurden die Züge vom sowjetischen Militär übernommen. Das Reiseziel wurde niemals genannt. Die meisten Deportierten kamen in die Lager des Donezbeckens nach Stalino, Woroschilowgrad und westlich des Dnjepers nach Kriwoi-Rog. In Sanktmartin blieben Verzweiflung, Trauer und Hoffnungslosigkeit zurück. Im Dorfe waren nur Kinder und Alte zurückgeblieben, ohnmächtig, rechtlos ausgeliefert den kurz zuvor eingewanderten Kolonisten die berauscht waren von der Macht, die ihnen plötzlich zugefallen war.
Verschleppung nach Russland: Ölgemälde von Stefan Jäger
Nach 17 Tagen, am 2. Februar, erreichen die Transporte der ersten Sanktmartiner Kriwoi-Rog. Die ersten Toten forderte der eiskalte Winter schon während des Menschentransportes in überfüllten Viehwagons. Der nächste Transport kam am 4. Februar in Smacova an. 300 Frauen waren hier in einer Kaserne untergebracht. Die Wohn- und Lebensbedingungen waren Menschen unwürdig. Viele waren in Zelten untergebracht und mussten erst die heruntergekommen Baracken wieder aufbauen. Von den Decken tropfte das Eiswasser auf die Insassen herab. Am Anfang hatte man ja noch das mitgebrachte Essen von Zuhause, doch das war schnell verzehrt und dann begann neben dem eiskalten Winter auch noch der große Hunger. Im Lager bekam man 225 Gramm Brot, Sauerkrautsuppe und einen Löffel Hirse oder Hafer mit Salzfisch. Man arbeitete in den Kohlengruben, Wald und Erdarbeiten. Der Normzwang und die schlechte Ernährung forderten bald ihre Opfer, die in den ersten Jahren erschreckend hoch waren. Im Oktober 1945 kehrten die ersten Erkrankten in der Heimat zurück. Sie waren Krank und nur noch der Schatten derer die der Heimat vor neun Monaten entrissen waren. Für die in Russland Verbliebenen blieb nur das „Scoro damoi“ Bald geht’s nach Hause. Ende 1946 gingen die ersten Transporte nach Deutschland, zuerst in die sowjetisch besetzte Zone. Da von hier der Weg in die Heimat erschwert wurde, flüchteten viele in die amerikanische Zone und blieben für immer in Deutschland. Im Sommer 1948 wurden die meisten Sanktmartiner entlassen und 1949 kehrten die letzten Nachhause. 15% der Deportierten, das sind über 11.000 Personen, fanden den Tot. Auch 77 Sanktmartiner sahen ihre Heimat nie wieder.
Sanktmartiner Russlandheimkehrer
Anbei die in Russland Verstorbenen:
1. Auer Adam 2. Baumann Florian
3. Braun Barbara 4. Brückner Barbara
5. Daniel Theresia 6. Denich Adam jun.
7. Denich Adam sen. 8. Deutsch Martin
9. Durst Barbara 10. Durst Maria geb. Fackelmann
11. Eisenbeil Eva geb. Fackelmann 12. Eisenbeil Josef sen.
13. Eisenbeil Josef jun. 14. Engelhardt Adam
15. Engelhardt Eva 16. Engelhard Michael
17. Engelsdorfer Anna geb. Fackelmann 18. Engelsdorfer Rosalia geb. Täubert
19. Fackelmann Anton sen. 20. Fackelmann Anton jun.
21. Fackelmann Barbara 22. Fackelmann Eva
23. Fackelmann Josef 24. Fackelmann Karl
25. Faludi Franz 26. Freisinger Maria
27. Fritz Anna 28. Gessner Adam
29. Hack Anton 30. Hack Elisabeth geb. Mayer
31. Hack Rosalia geb. Mayer 32. Hammer Veronika
33. Harras Barbara 34. Hotz Theresia geb. Kornacker
35. Karl Anna 36. Kastner Anna geb. Wagner
37. Kastner Rosalia 38. Kaupert Rosalia geb. Köllisch
39. Kempf Barbara geb. Hatzelhoffer 40. Kilian Anton
41. Kilian Eva geb. Messer 42. Kilian Josef
43. Kugler Anna 44. Kugler Theresia
45. Lustig Elisabeth 46. Lustig Eva
47. Lustig Franz 48. Mahler Katharina
49. Mahler Maria geb. Herbert 50. Messer Adam (Haus Nr.16)
51. Messer Adam (Haus Nr.145) 52. Messer Anna
53. Messer Anton 54. Mondeck Martin
55. Possmayer Adam 56. Possmayer Anton
57. Possmayer Katharina 58. Possmayer Maria (Haus Nr.197)
59. Possmayer Maria (Haus Nr.174) 60. Renner Josef
61. Rosenacker Kaspar 62. Rung Anton
63. Söllner Anna 64. Söllner Barbara
65. Söllner Maria 66. Sandtner Maria
67. Schmidfall Georg 68. Schneider Georg
69. Schneider Josef 70. Schwarz Theresia
71. Spitzer Anna geb.Täubert 72. Stöckl Adam
73. Stöckl Rosalia geb. Kaupert 74. Striffler Franz
75. Wagner Magdalena 76. Zimmermann Rosalia geb. Spitzer
77. Zimmermann Stefan
Im Sommer 2012 war eine Gruppe junger Leute aus Rumänien in der Geschäftsstelle der Banater Schwaben in München sowie im Seniorenzentrum Ingolstadt um eine Befragung Banater Landsleute, die bei der Russlanddeportation dabei waren, durchzuführen. Aus dieser Befragung haben: Lavinia Betea, Cristina Diac, Florin-Razvan Mihai und Ilarion Tiu die Daten in einem Buch unter dem Namen Lungul drum spre nicaieri Germanii din Romania deportati in URSS zusammengefast. Das Buch umfasst auf 306 Seiten Erinnerungen der Deportierten aus dem Banat und Siebenbürgen, sowie geschichtliche Daten der rumänischen Regierung aus jener Zeit. Das Buch ist in Editura Cetatea de Scaun, Targoviste, 2012 erschienen und unter
Bernhard Fackelmann
Kulturgemeinschaft der Sanktmartiner München, Dezember 2012